Anlässlich der Debatte, die über die Kampagne "Kunst hat Recht" entbrannt ist, lädt die ADA wie angekündigt Vertreter/innen verschiedener Parteien und Positionen zum produktiven Diskurs.
Was sind die tatsächlichen Verwertungsmöglichkeiten im Netz? Was sind leere und was sind zukunftsorientierte Versprechen an UrheberInnen? Wie ist das Urheberrecht überhaupt im Internet anzuwenden? Gefährdet die Freiheit der User das Überleben der KünstlerInnen? Was sind oder wären die gesellschaftspolitischen Folgen wenn sich die Copyrightlobbyisten durchsetzten? Was, - wenn nicht? Inwieweit sind Gesetze aus der analogen Welt in die digitale Welt übertragbar? Was bedeutet ACTA für UrheberInnen und wieso sind nicht alle UrheberInnen einhellig für die Aktion "Kunst hat Recht"?
Bei der von Peter Menasse moderierten Panel-Diskussion zum Thema "Urheberrecht im Netz" im project space am Karlsplatz wurden unter reger Beteiligung die Urheberrechte von Kreativen, deren Verwertungsrechte und die Grundrechte von Nutzer/inne/n heftig diskutiert.
Laut Eingangsstatement von Gerhard Ruiss ist die Initiative "Kunst hat Recht" gegen Providerhaftungen, gegen Überwachung im Netz und gegen Verfolgung der Nutzer/innen. Es sei der Initiative aber ein Anliegen, Rechte zu behaupten, "wenn es darum geht, dass irgendwer unsere Werke in Verkehr bringt". Man sei nicht bereit, mit Pauschalabkäufen individuelle Urheber- und Persönlichkeitsrechte aufzugeben.
Dagmar Streicher hat im Sinne der ADA als positiv zur Kenntnis genommen, dass es der Initiative nicht um die Strafverfolgung der Nutzer/innen geht, hat aber darauf hingewiesen, dass die inhaltlich widersprüchlichen und in der Wortwahl heftigen Forderungen von „Kunst hat Recht“ zu hinterfragen seien. Dem schlossen sich die Panelteilnehmer/innen weitgehend an. Streicher schloss ihr Einstiegsstatement damit, dass die Netze nicht verantwortlich zu machen seien, dass Künstler/innen in prekären Situationen leben und arbeiten. Urheber/innen kämen nicht umhin, die Verteilung der Verwertungserlöse mit Herstellern und Verwertungsdienstleistern neu zu verhandeln – analog wie digital. Es war nicht nur von der Demokratisierung von Information (Tina Leisch) die Rede, sondern auch von oft als „veraltet“ apostrophierten Geschäftsmodellen, die laut Kurt Mayer - bei aller Offenheit für Entwicklungen in der digitalen Welt - von den Regisseur/inn/en nach wie vor als Basis ihrer Existenz betrachtet werden müssten. Eine neue Welt erfordert laut Mayer neue Ordnungen. Die Frage sei, wann die Zeit für die neue Ordnung gekommen sei und ob die Regisseurinnen und Regisseure diese Anpassung vorwegnehmen können. Der Jurist Thomas Höhne wies darauf hin, dass die Interessen von Verwertern und Urheber/Kreativen nicht immer konform gehen. Durch die Existenz des Internet würden die Interessen der Verwerter oft mehr beeinträchtigt, als die Interessen der eigentlichen Urheber/innen. Peter Franck vom Chaos Computer Club schlägt in Anbetracht der kostengünstigen Verbreitungsmöglichkeiten von künstlerischen Werken im Internet vor, zukünftig den Vertrieb der Werke von der Bezahlung der Künstler/innen zu trennen. Dazu schlägt der CCC das Modell der Kulturwertmark vor.
Mehrfach wurde im Laufe der Diskussion auf das Problem der Begrifflichkeiten hingewiesen: Wann ist die Rede von Urheberrecht, Verwertungsrecht, Urheberrechtsvertragsrecht, Urheberpersönlichkeitsrechten oder von Rechtsdurchsetzungsmechanismen? Einig war man sich darin, dass Österreich ein starkes Urheberrecht hat, das an manchen Stellen vielleicht gelockert werden könnte (Stichwort Filmzitat). Einig war man sich auch darin, dass das Urhebervertragsrecht und die Durchsetzungsmechanismen verbessert und an die neuen Verbreitungsmöglichkeiten angepasst werden müssen. Angesprochen wurden in diesem Zusammenhang auch mehrfach die Verwerter, deren Rolle und Position sich - gegen deren Interessen - mit den neuen Vertriebsmöglichkeiten verändern werden. Einig war man sich am Panel weitgehend in seiner distanzierten Bewertung von ACTA, das laut Ruiss bedauerlicherweise zeitlich mit der Präsentation von „Kunst hat Recht“ zusammengefallen sei. Geblieben ist trotz der Berichtigungen und Distanzierungen von Ruiss der Eindruck, dass nicht alle Proponenten der Initiative "Kunst hat Recht" dieselben Positionen vertreten. Aufgrund der Diskussion um die Initiative wurden deren Forderungen in der Zwischenzeit präzisiert.
Weil sich alle Anwesenden darin einig sind, dass es einer Globalisierung des Urheberrechts und besserer Durchsetzungsmöglichkeiten bedarf und dass in Bezug auf Urheber- und Verwertungsrechte im Netz enormer Handlungsbedarf für die Politik besteht, wurde als Ergebnis dieser ersten Veranstaltung beschlossen, die Diskussion im März bei der Diagonale in Graz fortzusetzen.
Der Audiomitschnitt zur Veranstaltung ist online zum Nachhören bereit gestellt: